Verängstigte, manchmal fiese, unglückliche Menschen

Mit 19 Jahren war ich verliebt in meine_n Mitbewohner_in Elli. Wir waren unglückliche Teenager in Bremerhaven, gefangen zwischen am Deich meiern, the Cure hören und unserer Überforderung ein Leben fernab von unseren Elternhäusern gebacken zu kriegen. Wir liebten uns und alle wussten es. Elli, meine Freundinnen, der besoffene Arsch, der uns „ficki ficki lesbi lesbi“ auf der Straße hinterherrief. Nur ich wusste es nicht. Ich wollte all meine Zeit mit diesem Menschen verbringen. Ich wollte diesen Menschen beeindrucken, von ihm verstanden und geliebt werden. Und trotzdem brach ich Elli immer wieder das Herz.

Manchmal hatte ich einen lichten Moment und mir dämmerte, dass meine sogenannte beste Freund_in und ich alle Kriterien einer romantischen Beziehung erfüllten. All inclusive. Ich hatte panische Angst lesbisch zu sein, ich sag es euch, und deshalb fuhr ich immer wieder mit einem Bulldozer über Ellis Gefühle.

Elli schrieb mir noch jahrelang Postkarten, weil Elli wusste, wie sehr ich es liebe Post zu bekommen. Elli schrieb mir Liebesbriefe, die ich nicht verstand. Erst 7 Jahre später, 7 fucking Jahre später, als ich den Karton mit den Briefen wieder rausholte, verstand ich Ellis Worte und verstand, was für ein mieses Arschloch ich gewesen war. Ich verstand, wie meine erste große Liebe an mir vorbeigezogen war, ohne dass ich es mitbekommen hatte. Und alles, weil ich mir nicht eingestehen konnte ein kleiner Homo zu sein. Oder queer. Oder was auch immer das ist, was ich bin.

Es hat etwas gedauert, aber ich habe es mir verziehen. Denn das ist, was internalisierte Homofeindlichkeit aus Menschen macht: Verängstigte, manchmal fiese, unglückliche Lappen.

 

Alles neu.

Ich habe diesen Blog mal angefangen, weil ich ziemlich sauer über alles war. Daher hieß er bis vor Kurzem auch „Angermanagement Pt.1 – Über das Leben einer Dorfproletin in der Stadt“. Versteht mich nicht falsch, ich bin immernoch ziemlich sauer und bleibe eine Freundin der gepflegten, gelegentlichen Pöbelei. Ich will mich aber auch über andere Themen schreiben, die mich in den letzten Jahren, Monaten, Wochen, beschäftigt haben.

Ich habe zum Beispiel viel über Sexualität, Freund_innenschaft und Gefühle nachgedacht, nicht zuletzt, weil ich nicht so wirklich eine andere Wahl hatte im letzten Jahr. Kernerkenntnis: Danger Dan hat Recht, Gefühle sind wirklich ein Inkassoverfahren. Ich habe mich viel mit dem Thema Psychotherapie beschäftigt, nicht nur, aber auch weil ich in diesem Bereich seit ein paar Jahren nun schon arbeite. Wie kann das eigentlich zusammen mit einer machtkritischen Perspektive auf hier Dings gehen? Außerdem habe begonnen zu dem Zusammenhang von Männlichkeit und sexualisierter Gewalt zu arbeiten. Dazu halte ich zum Beispiel seit neustem Vorträge, was mir eine große Freude ist.

Mit dem Thema Klassismus habe ich mich in letzter Zeit weniger auseinandergesetzt, als es zu Anfangszeiten dieses Blogs der Fall war. Das Thema immer wieder über meinen Ärger und meine Enttäuschung anzugehen, hat mich mürbe gemacht mit der Zeit. Ich habe es deshalb erstmal sein lassen darüber zu schreiben (und lieber Fertignudeln mit meinen Homegirls gegessen – Shoutout an Lena²).

In meinem letzten Text habe ich geschrieben, dass hinter der Wut gar nichts liegt. Ich glaube heute würde ich sagen, hinter der Wut liegt einiges. Deshalb möchte ich nun mehr zu den Themen schreiben, die ich eben aufgezählt habe. Bestimmt, hoffentlich, wahrscheinlich springt dabei dann und wann ein mieser Rant heraus, aber nicht mehr nur.